Totholz im Garten – Alles andere als „tot“

„Totholz“ ist eigentlich ein irreführender Begriff, denn vergehende Bäume, Stämme, Äste, Zweige und Wurzeln bedeuten Leben pur. Auf die Frage: „Was lebt denn in und vom Totholz“, kann man mit der Gegenfrage: „Was denn nicht?“ antworten. Vielen Insekten dient es als Kinderstube oder Winterquartier, Vögel finden darin Nahrung, Unterschlupf und Nistplätze, Igeln bietet es neben ihrer Nahrung, den Insekten, in der Sicherheit und Wärme des sich zersetzenden Holzes Tagesschlafplätze und Winterquartiere.

Auch andere Kleinsäuger, Amphibien und Reptilien nutzen die geschützten Bereiche in liegendem Totholz. Pilze, Moose und Flechten können sich ansiedeln, das Mikroklima wird positiv beeinflusst, Feuchtigkeit im Boden gehalten – der Nutzen von Totholz ist essentiell für die komplexen Kreisläufe in der Natur. In der freien Natur wird es allerdings immer weniger. Aufgeräumte Wälder und Landschaften entziehen der Fauna zunehmend den Lebensraum. Wenn das noch nicht genügend Gründe sind, in seinem Garten Bereiche mit Totholz zu schaffen, gibt es wenigstens zwei weitere Argumente.  Zum einen kannst du dir mit gutem Gewissen die Entsorgung von anfallendem Astschnitt sparen und zum anderen kann Totholz im Garten wunderschön sein. Den gestalterischen Möglichkeiten, es nutzbringend und zugleich dekorativ im Garten zu platzieren sind keine Grenzen gesetzt. Hier einige Beispiele aus unserem Garten.

Vielleicht auf den ersten Blick etwas „unordentlich“ wirkt ein locker geschichteter Reisighaufen mit vielen Hohlräumen, den du vielleicht an einer weniger prominenten Stelle im Garten platzieren kannst. Wichtig ist, dass das Holz dort möglichst lange unberührt liegen kann. Wenn der Astabschnitt nur über den Winter bis in den Mai liegen bleibt, kann zwar der Igel dort ungestört seinen Winterschlaf halten, aber eventuell darin befindliche Insektenbrut braucht längere Zeit, bis zum Schlüpfen und Heranwachsen. Drei bis fünf Jahre dauert es zum Beispiel, bis sich ein Nashornkäfer von der Larve über den Engerling zum erwachsenen Tier entwickelt hat. In dieser Zeit  lebt er vom und im Mulm, also dem bereits fast vollständig zersetzten Holz. In der Zwischenzeit freut sich vielleicht der Zaunkönig jedes Jahr über einen geeigneten Nistplatz in einem der Hohlräume.

Ein Sichtschutz aus Totholz, wie wir ihn an der einzigen kleinen Straße, die an unserem Gelände vorbeiführt, errichtet haben, ist nicht nur kostengünstig, sondern zeigt je nach Jahreszeit, Wetter und Lichtverhältnissen ein ganz anderes Gesicht. Nasses Holz, das in der Sonne funkelt, kleine Eiskristalle im Winter, vielfältige Farben an einem heißen Sommertag, immer ist die Wirkung eine andere.

Geht man ein wenig näher heran, zeigen sich die vielfältigen Farben und Strukturen der unterschiedlichen Holzarten. Ebenso vielfältig sind auch die jeweiligen Nutzer. Manche Insekten bevorzugen Laub-, andere Nadelholz, wieder andere sind auf bestimmt Baumarten spezialisiert. Kaum möglich, sich alle Bedürfnisse im Einzelnen zu merken, also bieten wir doch von jedem etwas an – die Tiere werden schon selber wissen, was ihnen zusagt.

Gehen wir noch ein wenig näher heran, kannst du sehen, was für interessante Spuren die Insekten auf dem Holz hinterlassen, fast schon kleine Kunstwerke. Spannend wie ein Krimi liest es sich, was an einem vergehenden Baum vor sich geht, bis er irgendwann nach Jahren oder Jahrzehnten vollständig zu Humus zersetzt worden ist. Den „Schlüsseldienst“ leisten die holzaufschließenden Tiere, wie Spechte und diejenigen Insekten, die Löcher in das Holz bohren und es dadurch erst ermöglichen, dass Pilze und Bakterien durch die zuvor unüberwindliche Rinde eindringen können, um weitere Zersetzungsprozesse in Gang zu setzen. Dadurch eröffnet sich wiederum für andere Arten der Zugang zu Nahrung und Lebensraum. Einer nach dem anderen besiedelt den jeweils neu entstandenen Raum, bis am Ende die Pflanzen von dem übriggebliebenen, nährstoffreichen Humus profitieren können.

ein mächtiger Stumpf einer Esche
Pilze wachsen auf einem toten Eschenstumpf

Hier siehst du ein Stück des Stammes einer alten Esche, die in einem Sturm umgestürzt ist – einmal am Tag ihres „Einzugs“ in unseren Garten und dann ein Jahr später. In der Zwischenzeit waren die Spechte schon eifrig am Werk und auch einen Kleiber konnten wir mehrfach beim Picken an Rinde und Bruchkanten beobachten, genau wie Wespen, die sich dort wahrscheinlich mit Material zum Nestbau versorgt haben. Im zweiten Herbst zeigten sich die Fruchtkörper von unterschiedlichen Pilzen, die das Holz inzwischen besiedelt hatten. Schon spannend zu beobachten, was an einem solchen Stück Totholz so alles vor sich geht.

Gartendekoration mit Holz und Steinen
Rote Tulpen vor einem Totholz-Modul

Je nachdem, ob Totholz in der Sonne oder im Schatten platziert ist, finden sich unterschiedliche Bewohner und Besucher ein. So mögen es beispielsweise Reptilien eher warm und trocken, während sich Erdkröten eher in kühlen, feuchten Bereichen wohlfühlen. So ist es auch bei den verschiedenen Insekten. Wenn du eine bestimmte Art in deinem Garten beobachtest, kannst du ja mal recherchieren, mit welchem Angebot du ihre Lebens- und Überlebensbedingungen verbessern könnest.

Rankhilfe aus Baumstämmen
Rosafarbend, Rosenblüte an einer Rankhilfe

An anderen Stellen im Garten verwenden wir stehendes Totholz als Rankhilfen für verschiedene Wild- und Nutzpflanzen. Solange das Holz noch stabil genug ist, können sowohl Wildrosen als auch Stangenbohnen daran emporklettern. Der Wall darunter beherbergt übrigens unser „unsichtbares“ Totholz. Diese Wälle dienen dazu, das Gelände zu strukturieren und unterschiedliche Räume zu schaffen. Dazu schichten wir zunächst Strauchabschnitt und herabgefallene Äste am Boden auf. Anschließend werden diese mit Laub und den gejäteten Beikräutern aus dem Gemüsegarten abgedeckt.

Grasschnitt und Laub zum kompostieren
Zucht einer Himbeerhecke

Ist die oberste Schicht vererdet, bepflanzen wir die Wälle auf der Südseite, wie hier zum Beispiel mit Himbeeren. Licht von Süden und Windschutz nach Norden, dazu Wärme und Nährstoffe, die das verrottende Material abgibt, lassen die Pflanzen prächtig gedeihen und auch Besucher finden sich dort ein, zum Beispiel unsere Feldhasenbabys, die sich im Frühjahr gerne an diesen Wällen Verstecke suchen, in denen sie vor Wetter und Fressfeinden geschützt sind.

Bau einer Feuerstelle

Solange das Holz noch frisch ist, darf es auch gern als kostenloses Gartenmöbel dienen, wie hier der Stamm eines umgestürzten Wallnussbaums an unserer Feuerstelle. Dort können wir ein paar Jahre in gemütlicher Runde sitzen, bis das Holz morsch wird und an anderer Stelle im Garten weiter vergehen darf. Je nach Holzart geht das schneller oder langsamer vor sich. Bei Nadel- und Weichhölzern schreitet der Zersetzungsprozess relativ schnell voran, während er zum Beispiel bei einer Eiche Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern kann. Für das gemütliche Lagerfeuer oder Osterfeuer gilt natürlich: Bitte nicht den Astschnitt vom letzten Jahr verbrennen, sonst geht eine ganze neue Generation von darin lebenden Insektenlarven in Flammen auf.

Totholz, Deko im Garten

Dieser Kreis aus stehendem Totholz ist eines unserer aktuellen Projekte. Eingerahmt von verschiedenen Stämmen, Wurzeln und Ästen, die zum Teil schon recht angemorscht sind und einer Aufräumaktion in einem anderen Garten zum Opfer gefallen wären, soll in nächster Zeit ein Sumpfbeet/ Flachteich entstehen und unseren Garten um einen weiteren Lebensraum erweitern.

Eichhörnchen am Walnussbaum

Mit einem Blick auf die drei Eichhörnchenjungen an unserem Walnussbaum beschließen wir den kleinen Totholzecken-Gartenrundgang.

Falls du nun auch Lust bekommen hast, deinen Garten mit Totholz aufzuwerten, erst mal Daumen hoch und dann noch die dringende Bitte: Entnimm kein Totholz aus der freien Natur! Dort, wo es liegt, liegt es richtig. Wir können nie wissen, was alles schon darin lebt und ob es in unseren Gärten überhaupt die passenden Lebensbedingungen vorfinden würde. Frag deine Nachbarn, die vielleicht gerade einen Baum fällen oder auch mal die Arbeiter an den Straßen, die gerade Schnittarbeiten durchführen, schau dich auf den örtlichen Grünabfallsammelplätzen oder in den lokalen Kleinanzeigen um. Irgendwo wirst du ganz bestimmt fündig und kannst das Totholz guten Gewissens vor dem Häcksler retten und ihm in deinem Garten einen würdigen Platz zum langsamen Vergehen geben.

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N/A

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