Neulich im Hühnerstall
Pünktchens Abenteuer - Teil 1
„Hühner? Ihr wollt Hühner haben? Was wisst ihr denn schon von Hühnern?“, „Erst das alte Haus mit diesem viel zu großen Grundstück, dann der große, wilde Hund und jetzt auch noch Hühner? Ihr ranzt euch da doch viel zu viel an!“, „Was wollt ihr denn bitteschön mit Hühnern? Die machen nur Dreck und ihr holt euch noch die Ratten in den Garten. Das lasst mal lieber!“ So und so ähnlich waren die Reaktionen von etlichen Menschen aus unserem Umfeld, als wir ihnen von unserem Plan erzählten.
Mit zumindest einer Sache hatten sie ein bisschen Recht: Was wussten wir denn von Hühnern? Wenn du dich an die Geschichte mit Emmi Tuck erinnerst, weißt du ja, dass ich mal ein Huhn hatte – vor weit über 30 Jahren und auch nur für einen Tag. Ich habe sie nie vergessen, sie war braun und sehr zahm. Viel mehr wusste ich dann aber auch nicht über sie und ihre Artgenossen. Als Maik noch klein war, hatte sein Großvater auch mal Hühner gehalten. Das erinnerte er zwar noch, damit war dann aber auch sein Vorwissen so ziemlich erschöpft. Also schon richtig, als Hühnerexperten konnten wir beide wohl noch nicht gelten.
Wohlgemerkt noch nicht! Denn wie wir ja allen kritischen Mitmenschen gesagt hatten: es war ein Plan und kein spontaner Einfall. Nein wir hatten nicht etwa vor, blauäugig an das Ganze heranzugehen und fühlten uns ausreichend informiert und vorbereitet. Also hörten wir, wie fast immer, nicht darauf, was die anderen meinten. Sollten sie uns ruhig für ein bisschen verrückt halten, was machte das schon? Noch bevor wir in unser kleines altes Haus mit dem angeblich viel zu großen Garten eingezogen waren, wussten wir, dass hier neben einem großen Hund früher oder später auch ein paar Hühner ein Zuhause finden sollten. Trotzdem hatte es noch länger als ein Jahr gedauert, bis wir diesen Plan in die Tat umsetzen konnten.
Den ganzen Winter hatten wir geplant, überlegt, mit Hühnerhaltern gesprochen und alles über Hühner und ihre Haltung gelesen, was uns in die Finger gekommen war. Wir wollten ja schließlich gut vorbereitet sein auf unsere neuen tierischen Mitbewohner und nicht vielleicht schon beim Bau des Hühnerstalls die ersten Fehler machen. Wie hoch und wie dick muss denn eine Sitzstange sein? Wie baut man einen mardersicheren Stall? Welche Rassen kommen eigentlich in Frage? Welches Futter wäre denn das richtige? Gut, dass es so viele Menschen, mit Wissen und Erfahrung gab, von denen wir lernen konnten.
Im Mai hatte Maik dann mit dem Stallbau begonnen. Im Nu war der Garten eine einzige Werkstatt und es wurde den ganzen Tag gemessen, gesägt, gebohrt, geschraubt und gestrichen, bis schließlich die Bodenplatte, alle Seitenwände, Fenster und Türen fertig waren.
Der Obstgarten schien uns ein geeigneter Platz für das Hühnerhäuschen zu sein. Nach Norden und Westen war es dort durch die vielen Bäume gut vor Wind und Wetter geschützt, von Süden und Osten konnte durch die Fenster genügend Licht in den Stall fallen. Im Sommer würden die Obstbäume ihn beschatten und verhindern, dass es im Inneren zu heiß würde.
Bald stand auch schon das Fundament und Maik begann die Stallteile zu montieren. Immer an seiner Seite Kormin, der große, wilde Hund, der jeden Handgriff genau beobachtete. Schließlich war auch das Dach geschlossen und mit Teerpappe regendicht gemacht, der Stall mit Sitzstange und Legenestern eingerichtet, Futter – und Wasserspender standen bereit, kurzum, alles war vorbereitet für unsere allerersten Hühner. Die Vorfreude war groß und nun wollten wir auch nicht mehr länger warten. Also machten wir uns an einem Morgen im Juni auf den Weg zum Wochenmarkt in der nächstgelegenen Stadt, wo jedes Jahr im Frühjahr ein Geflügelhändler Junghennen zum Verkauf anbot.
Auf dem Markt herrschte geschäftiges Treiben, wie an jedem Samstagvormittag. Auch vor dem Stand des Geflügelhändlers stand eine dichte Menschentraube. Besonders das Gehege mit Enten- und Gänseküken zog viele Schaulustige an. Und einige Eltern mussten ihre begeisterten Kinder zurückhalten, die offensichtlich am liebsten über den niedrigen Zaun geklettert wären, um die niedlichen Küken zu streicheln. Ein kleines Mädchen aber hatte sich in eines der Hühner verguckt, die dicht gedrängt in ihren Käfigen auf einem langen Tisch saßen. „Wie heißt das Huhn denn?“, fragte das kleine Mädchen seine Mutter. „Die heißen alle Vorwerk!“, bemerkte der Händler ziemlich harsch, wie ich fand. Auch das Mädchen schien mit der Antwort nicht recht zufrieden zu sein, denn es fragte weiter: „Warum heißen die denn alle gleich?“ Durchaus eine berechtigte Frage, schien mir und da anscheinend niemand darauf antworten wollte, sagte ich: „Ich glaube, die Hühner haben alle noch gar keinen Vornamen. Den bekommen sie erst, wenn man jemand sie mit nach Hause nimmt. „Vorwerk“ ist so etwas wie der Nachname, den sie haben, weil sie aus der gleichen Familie kommen.“
Weiter kam ich nicht, denn nun wandte sich der Geflügelhändler an uns. Verständlicherweise wollte er wohl lieber ein Geschäft machen, als über Hühnernamen zu diskutieren. Vier Hühner wollten wir mit zu uns nehmen, zwei Sussex und zwei Grünleger. Aber für welche der vielen jungen Hennen sollten wir uns bloß entscheiden? Maik suchte als erstes eine der Sussexdamen aus. Sie hatte schneeweiße Füße und einen schön gezeichneten schwarzen Federkragen, der ihr später den Namen „Collar“ bescherte.
Nun war die Reihe an mir, das zweite Huhn auszuwählen Die meisten anderen Hennen in dem Käfig sahen Collar zum Verwechseln ähnlich. Nur eine war anders. Sie hatte nämlich ganz dunkelgelbe Beine und Füße. Mir schien es ganz günstig zu sein, unsere Hühner gleich vom ersten Tage an gut voneinander unterscheiden zu können, so dass ich mich für diese Henne entscheiden wollte. Da mischte sich plötzlich ein Herr ein, der neben mir stand und setzte mir auseinander, dass ich dieses Huhn auf gar keinen Fall kaufen solle, es sei nämlich fehlerhaft. „Die hat doch gar keinen ordentlichen Kragen und die die Füße müssen bei Sussex weiß sein. Die ist doch hässlich!“ Aha? Zum einen fand ich das arme kleine Huhn, das sich da so niedermachen lassen musste gar nicht hässlich und zum anderen wollte ich einfach nur vier glückliche Hühner auf unserer Wiese sehen und keine Rassegeflügelzucht beginnen. Rassemerkmalkataloge waren mir denkbar gleichgültig und ich ärgerte mich auch ein bisschen über den Ton dieses Herrn, der da so unfreundlich und ungefragt seine Meinung kundtat. Jetzt kaufte ich diese Henne erst Recht! Als der Geflügelhändler sie aus dem Käfig hob und zu Collar in den Pappkarton steckte, wehrte sie sich kaum. Sie schien also einverstanden mit meiner Entscheidung zu sein. Sie wurde unsere „Geli“, das Sussex mit den gelben Füßen, wobei „geel“ das plattdeutsche Wort für „gelb“ ist.
Weiter ging es zu dem Käfig, in dem die Grünleger auf ein neues Zuhause warteten. Zunächst standen wir etwas unschlüssig davor. Zehn oder mehr weiße Hennen drängten sich darin und einige sahen ziemlich zerrupft aus. „Da war heute Morgen noch der Hahn drauf!“, sagte der Händler, der unser Stirnrunzeln bemerkt hatte, und fügte hinzu: „Ich hätte auch noch eine schwarze!“ Maiks Augen leuchteten auf. Ein schwarzes Huhn, das war ganz nach seinem Geschmack! Der Händler dreht sich um, zog aus einem anderen Pappkarton ein Huhn hervor und hielt es uns am ausgestreckten Arm entgegen.
Es flatterte tüchtig und wirklich viel war von ihm nicht zu erkennen, außer sein Federkleid, das in der Morgensonne nicht nur schwarz, sondern in den verschiedensten Grün- und Blautönen wunderschön schimmerte. Wir nickten beide und auch dieses Huhn landete im Karton bei Collar und Geli. Später taufte Maik es „Odi“. In den ersten Wochen waren wir uns bei dieser Henne nämlich nicht so ganz sicher, ob sie nicht vielleicht doch ein Hahn war. Maik meinte, falls das am Ende so sein sollte, könnten wir einfach ein „N“ an den Namen hängen, „Odin“ sei doch ein guter Name für einen Hahn. War es schlussendlich dann aber nicht und so ist es bei Odi geblieben.
Nun fehlte nur noch eine Henne und so wandten wir uns wieder den weißen Grünlegern im Käfig zu. Plötzlich fiel mir in der Mitte der dicht gedrängten Hühner eines auf, das anders aussah als die anderen. Es war nicht ganz weiß sondern hatte mehrere schwarze Flecken im Gefieder, die fast wie große Punkte aussahen, ein bisschen so wie bei dem Pferd von Pippi Langstrumpf, dem kleinen Onkel. Ob es nun die Assoziation mit einer Kindheitserinnerung war oder ob ich immer noch den Mann von vorhin im Kopf hatte, der anscheinend alles, was irgendwie von der Norm abwich als hässlich empfand, mein Herz schlug sofort für dieses gepunktete Huhn. Es hatte den Kopf aus der Menge empor gestreckt und blickte neugierig um sich. Wir waren uns einig, das würde unser Huhn Nummer vier werden.
Es dauerte ein bisschen, bis der Geflügelhändler es endlich aus der Mitte des Käfigs herausgefischt hatte. Anscheinend sah er die Unterschiede zwischen seinen Hühnern nicht so genau wie wir und wusste nicht, welches wir denn nun eigentlich mit „das gepunktete da“ meinten. Aber schließlich war auch das vierte Huhn im Karton verstaut, den er nun mit einem Band ordentlich zuschnürte und Maik überreichte.
Vorsichtig trug er ihn zum Auto und stellte ihn auf die Rückbank. Ganz still war es darin. Die Hühner bewegten sich kaum in dem dunklen Karton und nur ab und an war ein leises “Gock“ zu vernehmen. Nun aber nichts wie nach Hause! Obwohl die Hühner ja ganz gelassen zu sein schienen, wollte es mir nicht gefallen, sie länger als nötig in dieser Kiste zu lassen. Einen ganz kurzen Zwischenstopp beim Baumarkt mussten wir allerdings machen, weil Maik noch irgendein Teil für eines der Stallfenster benötigte. Er sprintete in den Laden, während ich im Auto bei den Hühnern blieb. Auf der Rückbank war alles still, bis ich auf einmal ein seltsames Geräusch hörte. Irgendwas passierte da doch!
Ich drehte mich um und schaute auf den Karton. Er hatte begonnen sich zu bewegen und auf einmal tauchte oben aus der Mitte, dort wo die zusammengeklappten Pappstücke zusammentrafen, etwas auf. Das gepunktete Huhn hatte den Deckel auseinandergedrückt, streckte Kopf und Hals aus der Öffnung heraus und schaute sich um. „Na, du kleines Pünktchen Naseweis!“, sagte ich, als sich unsere Blicke trafen. Das Huhn machte keine Anstalten wieder in den Tiefen des Kartons zu verschwinden, sondern fuhr fort sich nach allen Seiten umzublicken. „Schau mal nach hinten!“, sagte ich zu Maik, als er nur wenige Augenblicke später wieder neben mir eingestiegen war. Verdutzt schaute er auf das Huhn, das ihm von der Rückbank aus entgegenblickte: „Ganz schön vorwitzig, die Kleine!“ „Ja, ein kleiner Naseweis!“, gab ich zurück, „Darf ich vorstellen, Pünktchen Naseweis?“ „Das passt!“, fand Maik. Und so fuhren wir dann alle nach Hause. Collar, Geli und Odi unten im Karton, Maik und ich – und Pünktchen, die die ganze Fahrt über genau zu verfolgen schien, wohin die Reise ins Ungewisse wohl gehen mochte. Pünktchens erstes Abenteuer auf dem Weg in ihr neues zu Hause. Das erste von vielen, die noch folgen sollten.
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Du möchtest deinen Hühnern etwas Gutes tun? Unsere Hennen sind ganz verrückt nach getrockneten Mehlwürmern. Und weil diese in den kleinen Tüten so teuer sind, bestelle ich immer gleich einen großen Sack direkt aus der Mühle.
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Ja mit den Hühnerdamen kann man die tollsten Abenteuer erleben. Spreche aus eigener Erfahrung. Ganz aparte, wunderschöne Tiere.
Hühner sind einfach wunderbar!!!