Für die kalte Jahreszeit, in der man nicht so viel im Garten unterwegs ist, findest du hier vergnüglichen Lesestoff.

Sheriff für einen Tag Teil 2 – Wie ich meinen ersten Arbeitstag begann

Sheriff für einen Tag Teil 2
Wie ich meinen ersten Arbeitstag begann

Titelbild Sheriff für einen Tag Teil 2

Stimmt, ich wollte dir ja davon erzählen, wie ich mal Sheriff für einen Tag war. Wo war ich denn stehengeblieben? Genau, ich hatte von diesem vielleicht echten Banditen mit dem Mikrofon meinen silbernen Sheriffstern bekommen. Eine große Ehre! Deshalb wollte ich ja auch gleich am nächsten Tag mit dem Sheriff-Sein anfangen und Jagd auf alle richtigen Banditen machen. Genau das tat ich dann natürlich auch. Und das war so:

Erstmal wachte ich natürlich auf und zwar richtig früh am Morgen. Das war auch gut so, denn es gab schließlich eine Menge für mich zu tun an meinem ersten Tag als Sheriff. Zunächst musste ich natürlich frühstücken. Das erledigte ich schnell in meinem rot-weiß geblümten Nachthemd. Du meinst,  Sheriffs tragen keine Nachthemden? Da sei dir lieber nicht zu sicher. Ein Sheriff im Nachthemd war mir zwar noch nie begegnet, aber in den alten Western, die manchmal im Vorabendprogramm liefen, hatte ich auf jeden Fall schon Männer in weißen Nachthemden gesehen. Also war es durchaus möglich, dass auch Sheriffs Nachthemden trugen. Vielleicht keine mit kleinen roten Blümchen darauf, aber ich hatte nun mal kein anderes. Und für die Blümchen konnte ich nichts, denn ich hatte es, wie fast alle meine Sachen, von meiner Cousine geerbt. Ihr passte es nicht mehr, denn sie war schon größer und ging auch schon zur Schule. Sie konnte auch Ballett tanzen, mit so einem richtigen Ballerinarock und solchen weißen Schuhen, mit denen man besser auf den Zehenspitzen stehen kann. Zu einer Ballerina passt so ein geblümtes Nachthemd doch ziemlich gut, aber auch für einen Sheriff schien es mir ganz in Ordnung zu sein.

Zur Arbeit musste ein Sheriff natürlich etwas anderes anziehen, schon klar. Darum kümmerte ich mich nach dem Frühstück. Die Sonne schien und es war ein richtig warmer Sommermorgen. Als ich noch klein war, war immer Sommer und immer schönes Wetter, es sei denn, es lag mal Schnee. Vielleicht war es auch nicht wirklich so und ich habe die Tage mit schlechtem Wetter inzwischen einfach vergessen. Das ist gut möglich, schließlich ist es schon lange, lange her, dass ich klein war. Aber an meinem ersten Tag als Sheriff war es Sommer und das Wetter war schön, da bin ich vollkommen sicher. Also war eine kurze Hose auf jeden Fall die richtige Wahl. Davon hatte ich zwei. Die hatte ich übrigens auch von meiner Cousine geerbt. Eine davon mochte ich sehr gerne, die andere nicht so sehr. Beides waren Jeanshosen. Die, die ich gerne mochte, hieß einfach „kurze Hose“, sie war blau und richtig kurz. Die andere hatte zwei Namen. Meine Tante nannte sie aus einem Grund, den ich nicht kenne, „Knickerbocker“ und meine Mutter sagte „Kniebundhose“ zu ihr. Wahrscheinlich,  weil sie bis zum Knie ging und unten an jedem Hosenbein ein lilafarbenes Bündchen mit einem Band darin hatte, mit dem man sie enger machen konnte, so man das denn wollte. Wie auch immer sie in Wirklichkeit hieß, diese Hose zog ich eigentlich nur an, wenn meine kurze Hose gerade in der Wäsche war. Das war sie an meinen ersten Tag als Sheriff zum Glück nicht, also war die Entscheidung leicht.

Während ich nach dem passenden T-Shirt suchte, überlegte ich noch, ob ich im Fernsehen schon mal einen Sheriff mit kurzer Hose gesehen hatte. So angestrengt ich auch nachdachte, ich erinnerte mich an keine einzige kurze Hose in einem Western. Vielleicht war es ja damals im wilden Westen nicht so warm wie bei uns an der Nordsee? Das war sicher die richtige Erklärung.  An Regenwetter in einem der alten Filme konnte ich mich zwar nicht erinnern, aber es musste kühl gewesen sein, sonst hätten ja nicht alle immer lange Hosen angehabt. Für diese These sprach auch, dass die meisten Leute in den Western Stiefel trugen. Stiefel hatte ich nur im Winter an, also an den wenigen Tagen, an denen gerade nicht Sommer war und Schnee lag. Meine Stiefel waren, wie all meine Schuhe, übrigens nicht von meiner Cousine, sondern aus dem Schuhgeschäft. Meine Mutter war nämlich der Meinung, dass mit dem „Erben“ wäre bei Schuhen nicht so gut, die sollten lieber neu sein. Mir war das ganz recht, denn in unserem örtlichen Schuhgeschäft gab es ein grünes Holzkarussell, mit dem ich fahren konnte, während meine Mutter mit der Verkäuferin über „Fußbetten“ und andere langweilige Sachen redete. Aber solche richtigen Ballerinaschuhe hätte ich trotzdem gern mal von meiner Cousine geerbt. Das ist allerdings eine ganz andere Geschichte und hat gar nichts mit dem Sheriffsein zu tun. Zurück zum Thema.

Im wilden Westen musste es also definitiv kalt gewesen sein, daher die langen Hosen und die Stiefel. Hier war es warm und somit war an der kurzen Hose als Sheriffbekleidung nicht das Geringste auszusetzen. Und Stiefel brauchte ich auch gar keine anzuziehen. Vielmehr brauchte ich gar keine Schuhe. Im Sommer lief ich nämlich immer barfuß, zumindest zu Hause in Ammerswurth. Wenn ich allerdings im Sommer zu Kindergeburtstagen eingeladen war, musste ich immer meine roten Sandalen anziehen und dazu die weißen Söckchen. Das fand ich ganz schrecklich. Warum, fragst du?

Ist doch klar: in Sandalen konnte man gar nicht gut rennen, was auf Kindergeburtstagen aber sehr wichtig war, weil die meisten Spiele, die wir damals spielten, mit Rennen zu tun hatten. „Tick“, „Halli-Hallo“, „A-Zerlatschen“, „Fischer-Fischer-wie-tief-ist-das-Wasser“ und noch ganz viele andere Spiele – alle mit Rennen. Und die meisten Jungs konnten sowieso schon viel schneller rennen als ich, da waren die Sandalen, die mich noch langsamer machten, doppelt blöd. Allerdings muss ich fairerweise zugeben, dass da manchmal auch ein paar Jungs Sandalen mit Söckchen anhatten. Wahrscheinlich hatten ihre Mütter genau wie meine eine völlig falsche Vorstellung davon, welche Schuhe am besten für einen Kindergeburtstag geeignet waren. Und das mit den Söckchen erst! Die kratzten, weil sie oben noch so einen Rand mit Spitze hatten und wenn man dann losrannte, rutschten sie sofort runter bis über die halbe Hacke  und verkrumpelten in der Sandale. Dann konntest du erst mal stehen bleiben, um sie wieder richtig anzuziehen. Und schon warst du getickt, gefangen oder abgeworfen. Da half es auch nichts, vorher „Klippo“ zu rufen, was in den meisten Spielen bedeutete, dass man gerade mal für einen Moment etwas anderes Wichtiges zu erledigen hatte und kurz aussetzen musste. Nase putzen, zum Beispiel oder einen besonderen Stein aufsammeln oder eben Socken hochziehen. Ich denke, ich fand Sandalen mit Söckchen aus triftigem Grund schrecklich und ehrlich gesagt, finde ich das heute immer noch, obwohl ich längst nicht mehr so viel renne wie früher.

Als Sheriff auf der Jagd nach Banditen würde ich eine Menge rennen müssen, das war mir natürlich klar. Und ein Sheriff mit roten Sandalen und weißen Spitzsöckchen, der mit seiner großen Pistole schießt? Nein, das passte nun wirklich nicht. Also blieb ich barfuß wie ich war und schnappte mir mein blaues Lieblings-T-Shirt. Das hatte ich im Sommer eigentlich immer an, es sei denn, es war gerade in der Wäsche. Eigentlich hatte ich im Sommer jeden Tag das gleiche an – die kurze Hose und das blaue T-Shirt. Ich sah also aus wie immer, das wurde mir in dem Moment auch klar, als ich mich im Spiegel betrachtete. Ich sah ja gar nicht aus wie ein Sheriff, sondern einfach wie Sünni an jedem Sommertag, die gleich nach draußen gehen will, um im Baumhaus zu spielen oder Schätze zu suchen oder mit ihrem kleinen grünen Kinderrad zu fahren.

Apropos, kleines grünes Kinderrad. Vielleicht erinnerst du dich daran, dass ich am Abend zuvor noch darüber nachgedacht hatte, mir für eine eventuelle Verfolgungsjagd mit den Banditen ein Pferd von unserem Nachbar auszuleihen. Diesen Plan hatte ich irgendwann zwischen dem Einschlafen und dem Moment vor dem Spiegel aus zwei Gründen wieder verworfen. Zum einen hatte ich die  wahrscheinlich berechtigte Sorge, dass es sehr lange dauern würde, Onkel Peter Heinrich davon zu überzeugen, mir mal eben so eines seiner Pferde zu überlassen. Für lange Diskussionen hatte ich an meinem ersten Tag als Sheriff nun wahrlich keine Zeit, es war ohnehin noch so viel zu tun. Und zum anderen war mir kein einziger Platz in ganz Ammerswurth eingefallen, an dem ich mich zusammen mit einem Pferd verstecken könnte, um den Banditen aufzulauern. Das Pferd wäre ja viel zu groß gewesen, um mit ihm unter einem Busch zu hocken und nach oben in mein Baumhaus hätte ich wahrscheinlich auch nur schwer bekommen. Jeder Bandit hätte uns doch sofort entdeckt und die Flucht ergriffen.

Mein kleines Kinderrad war da doch viel praktischer. Es war schnell wie ein Pferd, ließ sich aber deutlich besser verstecken.  Mit seiner grünen Farbe würde es in jedem Gebüsch perfekt getarnt sein.  In den Western haben die Sheriffs aber gar keine Fahrräder, meinst du? Nun, das ist wahr und natürlich habe ich damals auch kurz darüber nachgedacht. Du vergisst, aber eine Sache, die ich als Kindergartenkind schon wusste: Ein Sheriff ist doch so was wie ein Polizist! Und Polizisten fahren sehr wohl Fahrrad. Das wusste ich von unserer Nachbarstochter. Die war ein paar Jahre älter als ich und ging schon in die Grundschule in Meldorf. Und dorthin war ein echter Polizist gekommen und hatte mit allen Kindern aus ihrer Klasse eine Fahrradprüfung gemacht. Dabei mussten sie zeigen, dass sie sich mit dem Radfahren auskennen und alle Tricks beherrschen. Zum Beispiel beim Fahren den Lenker mit einer Hand loslassen ohne umzukippen, um anzuzeigen, wohin man abbiegen möchte. Ich fand das damals noch ziemlich schwierig. Weil unsere Nachbarstochter das alles aber schon richtig gut konnte, hat sie die Prüfung bestanden und von dem Polizisten zur Belohnung einen grünen Wimpel aus Stoff bekommen, den sie dann hinten an ihr Fahrrad machen durfte und der richtig toll wehte, wenn sie schnell fuhr. So einen hätte ich auch gerne für mein kleines grünes Rad gehabt, aber ich ging ja noch nicht in die Schule und die Sache mit dem Loslassen des Fahrradlenkers ohne umzukippen musste ich dafür auch noch weiter üben. Nun, jedenfalls war ja wohl klar, dass jemand, der mit anderen eine Fahrradprüfung macht, auch selber Rad fahren können muss. Also fuhren Polizisten Fahrrad, Sheriffs waren so was wie Polizisten und damit war an der Entscheidung für das Rad und gegen das Pferd absolut nichts auszusetzen.

Soweit so gut, aber ich sah immer noch nicht aus wie ein Sheriff. Ich brauchte unbedingt noch einen Cowboyhut. Woher sollte ich den nur nehmen? Ich überlegte angestrengt, aber alles Nachdenken half mir nicht weiter, denn in unserem ganzen, großen Haus gab es einfach keinen. Wir hatten nur einen einzigen Hut. Der war schwarz und gehörte meinem Vater. Er setzte ihn immer nur dann auf, wenn er auch seinen riesigen schwarzen Mantel anzog. Das war nicht gerade oft der Fall, nur dann, wenn er zu einer Beerdigung gehen musste. Sonst hatte er eigentlich immer seine blauen Arbeitssachen an. Ich war mir also ziemlich sicher, dass mein Vater den Hut nicht ausgerechnet an diesem Tag brauchen würde und beschloss, ihn mal aufzuprobieren. Ich holte den Hut von der Garderobe und stellte mich wieder vor den Spiegel. Noch bevor ich ihn überhaupt aufgesetzt hatte, ahnte ich schon, dass er nicht ganz das Richtige sein würde. Er war rund mit einer gewundenen Borte ringsherum und hatte vorne einen kleinen Schirm. Irgendwie sah er mehr aus wie eine Kappe als wie ein Hut für einen Cowboy oder Sheriff. Nach dem Aufsetzen bestätigte sich meine Vermutung – so ging das nicht! Der Hut war mir viel zu groß und rutschte mir vor die Augen sobald ich den Kopf auch nur ein kleines bisschen bewegte. Und mehr nach Sheriff  sah ich damit auch nicht aus, noch am ehesten wie ein Zugschaffner, der einfach einen zu großen Hut auf hat. Nein, der Hut kam zurück an seinen Platz auf der Garderobe. Es half nichts, es musste eben ohne Hut gehen. Vielleicht war der Hut schlussendlich auch gar nicht so wichtig. Bei uns an der Nordsee war es ja warm und nicht bitterkalt wie im wilden Westen. Da würden die meisten Sheriffs hierzulande ohnehin keine Hüte tragen und es könnte sich niemand daran stören, wenn ich ebenfalls keinen aufhatte.

Das wichtigste Utensil fehlte ja sowieso noch. Das, was mich sofort und ohne jeden Zweifel für alle als echten Sheriff erkennbar machen würde – mein silberner Sheriffstern. Der lag noch neben meinem Kopfkissen, blank und glänzend, wie an dem Tag, an dem ich ihn verliehen bekommen hatte. War das wirklich erst gestern gewesen? Seitdem war schon so viel passiert, all diese Planungen und anstrengenden Vorbereitungen! Aber nun war der große Moment gekommen, an dem ich ihn mir zum ersten Mal anstecken würde. Ich entschied nach reiflicher Überlegung, dass die linke vordere Hosentasche ein guter Platz für den Stern wäre. Vorsichtig pikste ich die Nadel durch den festen Stoff meiner kurzen Hose. Das war gar nicht so einfach und ich glaube, die Nadel verbog dabei sogar ein bisschen. Aber ich schaffte es schließlich, den Stern zu befestigen und lief zurück zum Spiegel, um das Ergebnis  zu sehen. Was für eine Veränderung! Ich war schon seit gestern Sheriff, aber nun sah ich endlich auch aus wie einer. Ein echter Sheriff! Nun konnte ich endlich mit der Jagd auf die Banditen beginnen. Nur eine Sache war vorher noch zu erledigen – meine Hose musste einen neuen Namen bekommen, der ihrer neuen Zierde angemessen war. Von diesem Moment an bis zu unserem letzten gemeinsamen Tag trug sie den Sheriffstern und den Namen „Sheriffhose“. Sogar meine Mutter hat sie fortan immer so genannt.

Wie es mit mir und meiner Sheriffhose an jenem Tag weiterging, erzähle ich dir beim nächsten Mal.

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Sheriff für einen Tag Teil 1 – Wie ich damals zum Sheriff wurde

Sheriff für einen Tag Teil 1
Wie ich damals zum Sheriff wurde

Titelbild Sheriff für einen Tag Teil 1

Ob du es glaubst oder nicht – tatsächlich war ich auch mal Sheriff.  Wirklich wahr. Nicht für sehr lange, genauer gesagt, nur für einen Tag und es ist auch schon eine ganze Weile her.  Da muss ich wohl so fünf oder höchstens sechs Jahre alt gewesen sein, irgendwann Ende der siebziger Jahre, in dem kleinen Dorf an der Nordseeküste, in dem ich aufgewachsen bin.

Eigentlich war Ammerswurth  nicht mal ein Dorf, denn es bestand nur aus acht alten Bauernhöfen und war schon vor vielen Jahrzehnten in die nächstgelegene Kleinstadt eingemeindet worden. Dafür war mein Vater verantwortlich, zumindest erzählte er es zeitlebens so. Als er noch ein kleiner Junge war und gerade dabei war, genau wie ich dann später, dort aufzuwachsen, gab es in Ammerswurth neben den acht Höfen sogar noch eine Bushaltestelle. Nicht so eine mit einem Häuschen zum Warten, sondern nur ein Schild, an dem der Bus anhielt. Dieses Schild hat mein Vater, der wohl ein ziemlich frecher Junge gewesen muss, eines Tages aus einer Laune heraus abgesägt. Fortan hätte dort nie wieder ein Bus gehalten, versicherte mein Vater mir, und irgendwie soll das schlussendlich dazu geführt haben, dass Ammerswurth seinen Status als eigenständige Gemeinde verlor.

Ob und wie sich das in Wahrheit zugetragen hat, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Laut dem Archiv der Stadt Meldorf wurde Ammerswurth bereits im Jahr 1935 eingemeindet. Vertraut man nun zugleich diesen Aufzeichnungen und den Aussagen meines Vaters,  muss man schlussfolgern, dass mein Vater genau ein Jahr alt war, als er das Bushaltestellenschild abgesägt hat. Das erscheint vielleicht etwas unwahrscheinlich, aber vollkommen auszuschließen ist es ja immerhin nicht. Sicher ist jedoch eins: wäre ich als Sheriff damals zu Stelle gewesen, hätte ich den Übeltäter erfolgreich auf frischer Tat ertappt. Damit hätte ich sowohl die Bushaltestelle als auch das Dorf gerettet. Ganz bestimmt wäre  ich dann auch länger Sheriff geblieben als nur für einen Tag.

In Wahrheit hatte ich als Dorfsheriff keinen solchen Erfolg zu verbuchen, genauer gesagt war alles, was ich zu verbuchen hatte, ein Misserfolg nach dem anderen und so wurde es eine sehr kurze Karriere.  Bereits vor dem Abendessen hängte ich meinen neuen Job wieder an den Nagel. Aber ich fange am falschen Ende der Geschichte an, sie beginnt ganz anders, nämlich am Anfang. Du weißt ja noch nicht mal, wie ich damals überhaupt zum Sheriff geworden bin. Das begab sich nämlich  so:

Sheriff für einen Tag Teil 1:
Wie ich zum Sheriff wurde

Darüber, was ein Sheriff ist und wie man zum Sheriff wird, wusste ich auch als kleines Mädchen schon genau Bescheid. Wir hatten zwar nur einen Schwarz-Weißfernseher und Programme gab es nur drei, aber im Vorabendprogramm  gab es manchmal Western. Die waren sogar damals schon uralt. Trotzdem habe ich viel über den wilden Westen daraus gelernt. Ein Sheriff ist nämlich so etwas wie ein Polizist, nur dass er anders angezogen ist und immer breitbeinig läuft. Er hat einen Cowboyhut auf, schießt viel mit einer großen Pistole, jagt Banditen und er hat einen silbernen Stern, damit  jeder gleich erkennt, dass er zu den Guten gehört. Und Sheriff wirst du, wenn ein alter Sheriff dir auch so  einen silbernen Stern gibt.

Bei mir war das ein bisschen anders, aber wirklich nur ein bisschen. So einen silbernen Sheriffstern bekam ich nämlich auch. Nur sah der Mann, der ihn mir überreichte, gar nicht wie ein Sheriff aus. Er stand auf dem Marktplatz und eigentlich sah er tatsächlich eher wie ein Bandit aus. Er hatte ein kariertes Taschentuch vor dem Gesicht, genau wie die Bösen in den alten Western. Zudem hatte er ein Mikrofon, in das er ohne Pause so etwas wie „Wünnewünnewünne!“ rief. Hinter ihm waren hohe Regale aufgebaut, in denen die größten Stofftiere saßen, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Riesengroße Teddybären, meterlange blau-grüne Schlangen und andere, nicht näher bestimmbare Tiere gab es da. Dazwischen standen noch ganz andere Dinge, die für mich irgendwie nicht dazu passten. Ich sah Kassettenrekorder, Kaffeegeschirr und Pakete, in denen vielleicht Bettwäsche oder Tischdecken gewesen sein können. Vielleicht waren da auch noch Schnapsflaschen. Bei dem Punkt bin ich mir nicht mehr ganz sicher, aber an alles, was dann geschah, erinnere ich mich haargenau.

Während ich noch die riesigen Plüschtiere bestaunte und mich fragte, ob man einen so großen Teddy überhaupt tragen könne, geschweige denn richtig mit ihm spielen, ging mein Vater zu dem Banditen und gab ihm ein Geldstück. Der rief weiter „Wünnewünnewünne!“ in sein Mikrofon und kam mit einer durchsichtigen Schüssel auf mich zu, in der viele kleine Papierröllchen lagen. Um jedes Röllchen war ein kleiner Gummiring gezogen, damit es nicht aufgehen sollte, vermutete ich. Der Bandit streckte mir die Schüssel entgegen und mein Vater sagte, ich dürfe jetzt drei Röllchen herausnehmen.

Es gab graue, grau-bläuliche, grau-rötliche und grau-grünliche Röllchen. Die Farben waren nicht so wirklich schön, eher so ausgeblichen und schmuddelig wie das Papier von den vollgeschriebenen alten Heften, die bei uns zu Hause im Schrank auf dem Dachboden lagen. So richtig wusste ich nicht, ob ich solche Röllchen überhaupt haben wollte und gebrauchen könnte, aber mein Vater stupste mich an und nach einigem Zögern nahm ich dann drei grau-grünliche. Grün war nämlich meine Lieblingsfarbe. Soweit so gut. Da stand ich nun und hatte drei Papierröllchen. „Nun mach sie schon auf!“, sagte mein Vater. Er nahm eins der Röllchen, streifte den kleinen Gummiring ab und entrollte das Papier. Ein ziemlich langer Papierstreifen wurde das. Er war von oben bis unten mit einem gräulichen Karomuster bedruckt, einzig am untersten Rand stand etwas geschrieben. Was da stand, kann ich dir natürlich nicht sagen.  Ich konnte zwar richtig viel, aber lesen konnte ich im Kindergartenalter noch nicht. Heute, über 40 Jahre später, hätte ich da zwar so eine Vermutung, was da gestanden habe könnte, aber Vermutungen gehören ja nicht in eine wahre Geschichte, also behalte ich sie für mich.

Es waren ja auch noch zwei Röllchen übrig und nun war ich an der Reihe, die Gummibänder abzufummeln und sie zu entrollen. Die Papierstreifen, die zum Vorschein kamen, sahen haargenau so aus wie der erste. Erst ganz viele Karos und dann am unteren Rand ein bisschen  Schrift. Was sollte ich damit nun anfangen? Ein wenig ratlos blickte ich meinen Vater an, der mir bedeutete, ich solle nun wieder zu dem Banditen gehen und ihm entrollten Papierröllchen zurückgeben. So langsam fand ich das alles doch recht seltsam. Hatte mein Vater dem Mann das Geld nur dafür gegeben, dass wir seine Röllchen aufmachen und uns diese komischen Karomuster anschauen durften? So recht verstand ich das nicht, aber ich vertraute einfach mal auf meinen Vater. Irgendeinen einen Sinn würde er schon in der Sache sehen. Also stiefelte ich los.

Der Bandit schaute mich gar nicht recht an, als ich ihm die Papierstreifen hinreichte. Er hielt sich das Mikrofon mit der rechten Hand ganz nahe vor den Mund und rief immer noch sein „Wünnewünnewünne!“ Mit der freien Hand nahm er die Papierstreifen an sich und warf einen ganz kurzen Blick darauf, bevor er sie einfach auf den Boden fallen ließ. Dort vor ihm lagen schon unzählige dieser Papiere, was mir jetzt erst auffiel. Bevor ich groß Zeit hatte darüber nachzudenken, ob man Papier einfach so auf die Straße werfen darf, lehnte sich der Bandit leicht nach hinten und griff, ganz ohne hinzusehen, in eine Plastikbadewanne, die hinter ihm unter den hohen Regalen stand. Fast genauso eine hatten wir auch zu Hause. Darin wurde abends immer meine kleine Schwester gebadet, als sie noch ein Baby war. Was der Bandit wohl in seiner Wanne hatte?

Der Mann kramte mit seiner linken Hand eine Weile darin herum und zog schließlich einen kleinen Gegenstand hervor, den er mir etwas unsanft in die Hand drückte. Seine Finger waren schwarz behaart und auf einem steckte zwischen den vielen Haaren ein gewaltig großer goldener Ring. Er hatte oben eine große quadratische Platte und sah aus, als könne er einem König gehören. Vielleicht war dieser Mann am Ende doch ein richtiger Bandit und hatte den Ring aus einem Schloss geraubt? Er wurde mir zunehmend unheimlich. Obwohl ich nicht erkennen konnte, was er mir da gegeben hatte,  schloss ich schnell meine Finger um den kleinen Gegenstand und lief zurück zu meinem Vater.

Dort fühlte ich mich sicher genug, meine Finger wieder zu öffnen und den Gegenstand zu betrachten. Ich traute meinen Augen kaum, als ich sah, was da in meiner ausgestreckten Hand vor mir lag. Es war ein Sheriffstern – ein richtiger, echter, silberner Sheriffstern. Ich hatte zwar noch nie einen echten Sheriffstern gesehen, aber ich erkannte es sofort. Er glänzte in der Sonne und jeder seiner Zacken war mit einem kleinen Silberkügelchen verziert. In der Mitte des Sterns befand sich ein Kreis mit einem Schriftzug. Wie du ja weißt, ich konnte noch nicht lesen, aber dass da natürlich  „Sheriff“ stand, war mir trotzdem klar und was das bedeutete, selbstverständlich auch. „Papa! Ich hab einen Sheriffstern!“ „Das ist doch schön. Wir wollen jetzt auch langsam mal los.“ Gut, meinem Vater war die Bedeutsamkeit  meiner Aussage offenbar nicht ganz klar, aber das war in Ordnung. Er kannte sich mit dem Thema eben nicht so gut aus wie ich. Schließlich hatte er auch meistens keine Zeit, um im Vorabendprogramm alte Western zu gucken. Ich aber wusste: Ich bin jetzt ein echter Sheriff! Ich folgte meinem Vater einfach kommentarlos, aber mit meinem kostbaren Stern fest in der Hand  zum Parkplatz, ich musste mir ja ohnehin in Ruhe ein paar Gedanken über meine zukünftigen Aufgaben machen. Als wir ins Auto einstiegen, hörte ich aus der Ferne immer noch das  „Wünnewünnewünne!“ des Banditen, der mich gerade zum Sheriff gemacht hatte.

Auf der Rückfahrt hatte ich genügend Zeit, den Sheriffstern von allen Seiten ganz genau zu betrachten. Es war ja nicht einfach nur ein silberner Stern, nein auf der Rückseite hatte er eine Nadel zum Anstecken. Genauso eine wie an der Brosche, die meine Mutter manchmal trug, wenn wir zu einem Fest eingeladen waren. Das fand ich sehr praktisch, denn so würde jeder vom Weiten gleich erkennen, dass ich zu den Guten gehöre, genau wie bei den Sheriffs im Fernsehen.

Beim Abendessen und auch noch später im Bett überlegte ich angestrengt, wie ich meine neue Arbeit als Sheriff morgen angehen würde. Ich brauchte die passende Kleidung und  eine gute Ausrüstung. Wo könnte ich den Banditen am besten auflauern? Und wenn ich sie vielleicht verfolgen müsste? Vielleicht könnte unser  Nachbar mir dafür eins seiner Pferde leihen. Außerdem musste ich noch einen geeigneten Ort finden, um all die Banditen einzusperren, die ich am nächsten Tag fangen würde. Ob unser Keller sich dafür eignen würde?  Fragen über Fragen. Irgendwann bin dann wohl darüber eingeschlafen und vielleicht träumte ich von lauten  Schießereien, wilden Verfolgungsjagden und großen Heldentaten. Aber den Sheriffstern hatte ich schon mal, den konnte mir so schnell keiner nehmen. Zur Sicherheit hatte ich ihn neben mich auf mein Kopfkissen gelegt. Kein Bandit sollte ihn stehlen können, noch bevor ich überhaupt richtig mit dem Sheriffsein angefangen hatte.

Was dann am nächsten Tag aus all den Fragen und Plänen wurde, erzähle ich dir beim nächsten Mal.

Hast du Lust weiter zu lesen? Hier geht es zum nächsten Teil der Sheriff-Geschichte:

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Damenhandtasche vs Bomberjacke

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Damenhandtasche vs Bomberjacke

Titelbild Bomberjacke

Damenhandtaschen werden ja so mancherlei Eigenarten nachgesagt. Einige behaupten sogar, die in den Tiefen derselben befindlichen unteren Sedimentschichten könnten in gleichem Maße von geologischem wie von archäologischem Interesse sein. Zumindest wird ihnen die Eigenschaft zugeschrieben, von innen deutlich größer zu sein, als sie nach außen hin wirken.

Im Einzelfall kann ich das bestätigen. So kannte ich mal eine gewisse Annette, die mich auf diversen Musiksessions im Kieler Schützenpark, auf dem Steg am kleinen Kiel oder auch am Falkensteiner Strand immer wieder damit überraschte, wie sie aus ihrer kleinen, zerknautschten Ledertasche plötzlich warme Pullover für mehrere Personen, ein paar Pelzstiefel und mehrere Flaschen Korn oder Wodka hervorzaubern konnte.

Einzelfälle wie Annette und ihre Handtasche sind vielleicht der Grund, warum ich selber so gut wie nie eine Handtasche mit mir führe. Oft genug habe ich in früheren Zeiten die Erfahrung gemacht, dass männliche Begleiter davon ausgehen, jedwede Damenhandtasche verfüge über derartige Kapazitäten. „Kannst du das kurz mit einstecken?“, hieß es dann und im Nu schleppte ich ein beträchtliches Zusatzgewicht in Form von Portemonnaies, kiloschweren Schlüsselsammelsurien und anderen Utensilien aller meiner Kumpel mit mir herum.

Zudem hatte ich selbst in den Tiefen meiner Tasche nie etwas von Wert finden können, maximal ein klebriges altes Hustenbonbon, das eine untrennbare Verbindung sowohl mit Taschenfutter als auch mit einem alten Tempotaschentuch unbekannter Herkunft eingegangen war.

Also war für mich irgendwann Schluss damit.

Handtasche nur noch im Notfall und dann von außen so klein erscheinend, dass kein Mann und glaubte er noch sehr sehr an das Mysterium des unerschöpflichen Volumens von Damentaschen mehr glauben konnte, sein gerade auf der Tombola gewonnenes Fondueset könne darin leicht Platz finden.

So lebte ich dann glücklich und unbeschwert von dem Ballast männlicher Besitztümer und lernte irgendwann Maik kennen. Der war toll, jung und stark und besaß noch nicht mehr als er selber bequem tragen konnte. Alles war gut, bis zu dem Tag, als er beschloss, sein Eigentum zu vergrößern und zwar um die Jacke.

Sie verkörperte so ziemlich alles, was ich an Jacken inakzeptabel finde – mal abgesehen davon, dass sie schwarz war, was mir ja durchaus gefällt. Aber ein Bündchen in der Taille, ein abnehmbarer Plüschkragen, der nach spätestens drei Tagen so aussah wie ein altes, bis zur Unkenntlichkeit abgeliebtes und abgeschlecktes, verfilztes Kuscheltier, insgesamt die möchtegern-martialische Anmutung einer Bomberjacke, einfach schrecklich. Ich verlieh meiner Abneigung gegen dieses Kleidungstück hin und wieder Ausdruck, vielleicht war es auch jedes Mal, wenn Maik sie anzog und das tat er oft, nicht ohne zu erwidern, dass sie einfach so unglaublich praktisch sei. Das einzige, was mit daran „praktisch erschien“ war, dass sie nach etwa einem Jahr so schäbig aussah, dass ich hoffte, sie nun endlich der Wiederverwertung zuführen zu dürfen, was ich dann auch begeistert verkündete. Leider nicht ganz mit dem erwünschten Ausgang, denn nur wenige Tage später kam Maik nach Hause und präsentierte mir seine neue Jacke. DIE Jacke, die gleiche, nochmal, fast identisch – warum nur? Na, weil sie doch so praktisch ist! Mir blieb nichts anderes übrig, als mich in mein Schicksal zu fügen und unterließ fortan jegliche Bemerkung über das mir verhasste Kleidungsstück. Vielleicht war diese stillschweigende Duldung der Grund, dass Maik mich nach und nach in die von ihm so hoch geschätzte Nützlichkeit dieser speziellen Jacke einweihte.

Es begann mit Kleinigkeiten, die als solche noch nicht unbedingt bemerkenswert waren. Aber wann immer ich unterwegs in den zwei Taschen meiner eigenen Jacke noch vergeblich nach einem Taschentuch oder Hustenbonbon suchte, Streckte er mir das Gewünschte bereits entgegen.

Kugelschreiber und Zettel? Bitteschön.

Taschenlampe? Ja, hier.

Ein Taschenmesser wäre jetzt praktisch – oh, danke.

Jetzt müsste man ein Tüddelband oder Panzertape zur Hand haben. – Was von beidem willst du?

Das war schon ein bisschen bemerkenswert.

Mist ich hab Tampons vergessen! Sekunde…Also wirklich, warum hast du Tampons in der Jackentasche?

Ich lernte zu akzeptieren, dass sich in den zahlreichen Taschen dieser Jacke alles zu materialisieren schien, was ich gerade brauchte oder mir wünschte. Allerdings versuchte ich auch nie, die magischen Eigenschaften der Jackentaschen durch andere, als wirklich dringende Anfragen überzustrapazieren. So habe ich bisher nicht in Erfahrung gebracht, was bei Wünschen wie Goldmünzen, Diamantring oder Aktienpaket geschehen würde. Aber Maik ist ja schließlich auch kein Fischer und ich bin nicht die Ilsebill.

So lebten wir also weiter glücklich und zufrieden, ich weiterhin unbeschwert von männlichen Besitztümern. Die Jacke ist nun wohl schon an die 15 Jahre alt und inzwischen zur Gartenjacke geworden. Hässlich finde ich sie noch immer – aber wahre Schönheit kommt ja von innen, wie einem stets gesagt wird und ich gebe ja zu, dass sie mir das Leben schon oft erleichtert hat.

Aber gestern Abend war ich dann doch kurz verunsichert…

Nach einem langen Arbeitstag im Garten, bei wunderbarem Sonnenschein, aber dennoch frostigen Temperaturen sagte ich ohne irgendwelche Hintergedanken, meine Lippe sei ganz trocken und ich dürfe nicht zu breit grinsen, sonst würde sie sicher aufreißen. Wortlos griff Maik, der gerade erst ins Haus gekommen war, in eine seiner Jackentaschen und zog einen Gegenstand hervor. Ein Seitenschneider? Ich überlasse es euch, euch auszumalen, welche Assoziationen mich überkamen, als ich versuchte einen Zusammenhang zwischen trockenen Lippen und Seitenschneidern herzustellen. Aber wahrscheinlich habe ich zu viele brutale Filme gesehen, als dass andere als gewalttätige Bilder vor meinem geistigen Auge erscheinen konnten. Sollten sich Güte und Hilfsbereitschaft der Tasche etwa in Boshaftigkeit und Grausamkeit verwandelt haben?

Maik hat wohl dieselben Filme gesehen. Jedenfalls grinste er breit – im Übrigen ohne dass ihm die Lippe aufgeplatzt wäre – legte den Seitenschneider auf den Tisch, kramte kurz in derselben Tasche, aus der er ihn gerade hervorgezogen hatte und reichte mir einen Labello. Alles gut – sie funktioniert noch immer.

Aber ich bin abgeschweift – ach, ihr wisst ja, ich kann mich nie kurz fassen, jedenfalls nicht, wenn eine Tastatur vor mir liegt.

Also, Damenhandtasche oder Bomberjacke?

Ganz klar, Bomberjacke!

Frau braucht selber nichts zu tragen, muss nicht daran denken, Dinge für sämtliche Eventualitäten einzupacken und wer findet schon eine Nagelschere oder Panzertape oder überhaupt irgendetwas Nützliches in einem vollgestopften, unübersichtlichen Sack?

Bomberjacken sparen somit Kraft, Zeit und Nerven und dass sie hässlich sind, ist ja schlussendlich das Problem des Trägers… und der bin ja nicht ich.

Sünje

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UgH mit „Sabine“ -Sturmtief 2019-

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UgH mit "Sabine"
Fazit zum Sturmtief 2019

Titelbild Ugh mit Sabine Sturmtief

Was ist denn UgH und wer ist Sabine? Ersteres ist leicht erklärt. UgH (Urlaub gegen Hand) ist eine tolle Sache, wenn man mal mit kleinem Budget irgendwo im In- oder Ausland Ferien machen möchte. Menschen stellen einem eine Unterkunft und eventuell sogar Logis, während man ihnen im Gegenzug, je nach seinen Fähigkeiten, stundenweise bei bestimmten Arbeiten hilft, sei es nun bei Renovierungsprojekten, bei der Gartenarbeit, Tierversorgung oder was auch immer.

Braucht man selbst Hilfe bei bestimmten Dingen, ist UgH auch eine praktische Sache und mit Chance lernt man dabei sogar noch nette Menschen kennen. So hatten wir es uns auch mit Sabine vorgestellt…

Wer genau denn nun diese Sabine ist, kann ich allerdings auch im Nachhinein nicht so ganz genau sagen.

Eine Woche ist nun her, dass wir Sabine bei uns zu Gast hatten. Vor ihrem Besuch wussten wir nur, dass sie noch relativ jung war, irgendwo aus dem Südwesten kam und nach ihrem Aufenthalt hier nach Süden weiterreisen wollte. Es schien, als würde sie sich als ausgesprochen anspruchsloser Gast erweisen. Sie brauchte keinen Schlafplatz im Haus, sie war wohl eher so der Outdoor-Typ, was uns sehr praktisch erschien, da unser Gästezimmer immer noch nicht fertig ist. Auch an einer Verpflegung durch uns hatte sie kein Interesse. Somit würde sie auch unsere Haushaltskasse nicht strapazieren. Die Aufgaben hier wollte sie ohne Unterstützung unsererseits allein und selbständig erledigen. Alles Pluspunkte für Sabine.

An Arbeitsleistungen hatten wir uns lediglich ein paar Kleinigkeiten gewünscht, schließlich sollte ihr ja auch noch genug Zeit bleiben, sich Dithmarschen ausgiebig anzuschauen. Ein bisschen Brennholz machen, die Fenster vom Windschutz an der Terrasse putzen und etwas Laub beseitigen. Die Sache mit dem Laub, da hatte ich schon im Vorfeld kein so gutes Bauchgefühl. Aus irgendeinem Grund hatte ich so den Animus, Sabine könnte vielleicht eher von der Fraktion „Laubpuster“ sein. Dennoch hatte ich Hoffnung, sie in diesem Falle davon überzeugen zu können, lieber einen Rechen zu benutzen, um Tierchen und Umwelt zu schonen.

So warteten wir also auf Sabine. Gegen Mittag sollte sie eintreffen. Wir warteten. Und dann, plötzlich war sie da. Kein „Hallo“, keine Begrüßung, sie kam einfach und legte los. Okay, wir wollten dann mal nicht so sein. Vielleicht war sie ja auch nicht so der kommunikative Typ? Die Geräuschkulisse, die aus dem Garten zu uns ins warme Haus drang, ließ zumindest erahnen, dass sie äußerst energetisch zu Werke ging. Vielleicht gar ein wenig zu stürmisch?

Als das Getöse von draußen auch in der Nacht nicht nachließ, wurde mir doch schon ein wenig mulmig. Ich versuchte mich zu beruhigen und sagte mir, sie sei wohl eher so ein Nachttyp und schlief schließlich wieder ein, obwohl es klang, als würden im Garten Blitz und Donner mit Hagelschauern wüten. Es gibt ja so Persönlichkeiten, die einfach eine gewisse Grundlautstärke mitbringen.

Die nächsten Tage war das Wetter einfach schauderhaft. Das tat uns natürlich Leid für Sabine, die hier doch schließlich ein paar schöne Urlaubstage verbringen sollte. Aber da aus dem Garten zeitweise keine Geräusche zu vernehmen waren, nahmen wir an, dass sie trotz des Schietwettters ein paar kleine Ausflüge in die nähere Umgebung unternahm. Wir selbst setzten keinen Schritt vor die Tür und warteten bei Kaffee, Tee und Grog auf etwas mildere Temperaturen.

Dann am vierten Tag war sie fort, einfach abgereist, ohne ein Wort. Ein bisschen seltsam, aber vielleicht war sie auch nicht so der sentimentale Typ, der auf tränenreiche Abschiede steht. Schon okay, man soll ja jeden so nehmen, wie er eben ist. Mit ihr war auch das schlechte Wetter verschwunden und der erste lichte Morgen seit Tagen brach an.

„Mensch! Fensterputzen kann die aber wirklich!“, dachte ich als es hell wurde und ich die Scheibe unseres Windschutzes sah. Gut, sie hatte zwar nur eine von drei geputzt, aber die war so spiegelblank, dass es wirkte, als würden die dahinterstehenden Pflanzen durch das Glas auf die Terrasse ragen. Hab ich noch nie so gut hinbekommen. Maik zuckte später nur mit den Schultern und kehrte wortlos die Scherben auf. Er weiß schließlich, dass ich dringend eine neue Brille brauche. Irgendwie kreativ fand ich Sabines Idee, wie man dreckige Scheiben loswerden konnte, dann aber doch – zumindest ein bisschen, kurzfristig…

Später gingen wir in den Garten, um uns anzuschauen, was aus unserem Brennholz geworden war. Der Brennholzstapel lag unberührt da. Hatte Sabine das mit dem Holz nicht mehr geschafft? Nun, nicht so schlimm, war ja alles kein Muss. Vielleicht war sie ja eher nicht so der Holztyp. Auf der Obstwiese stellten wir dann fest, dass sie sehr wohl Brennholz gemacht hatte. Sie hatte nämlich unseren großen Kirschbaum gefällt. Zugegeben, Kirschholz ist natürlich wirklich ganz gutes Brennholz, aber dennoch schade um den alten Baum, wo wir doch kubikmeterweise Holz hier liegen haben, dass nur noch zerkleinert werden müsste. Gut unsere Schuld, dass wir da keine konkreten Absprachen getroffen hatten.

Zudem hatte sie überall auf der Wiese Äste und Zweige ausgelegt. Wir fragten uns, ob das wohl eine besondere, uns unbekannte Technik sei, mit der das Holz schneller trocknen würde oder was sonst für ein Plan dahinter stecken könnte. Fragen konnten wir Sabine ja nicht mehr danach, denn sie hatte keine Kontaktdaten hinterlassen. So tatkräftig sie auch zu Werke gegangen war, die letzte Begeisterung für das Ergebnis ihrer nächtlichen Anstrengungen wollte sich bei uns schlussendlich nicht einstellen. So war ich dann auch recht froh, dass sie zu dem Laub wohl nicht mehr gekommen war. Wer weiß, was für eine kreative Idee ihr dazu vielleicht noch gekommen wäre.

So war das also mit dieser, doch etwas mysteriösen Sabine. Auf solchen UgH-Plattformen tummeln sich eben auch einige eigenwillige Charaktere. Da muss man schon mit rechnen. Und schließlich ist ja alles ganz glimpflich ausgegangen.

Inzwischen ist eine Woche vergangen und ihre Nachfolgerin ist bereits eingetroffen. Sie heißt Victoria, ist auch noch ziemlich jung und kommt wohl gerade von einem Besuch auf Island. Und, was soll ich sagen, irgendwie habe ich ein Déjà-vu …

Nach dieser Sturmgeschichte ist mir richtig kalt geworden, ich mach mir erstmal einen schönen heißen Grog. Möchtest du auch einen? Dann schau doch mal in unser Grog-Rezept

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